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Burg Appenzell

schön: 5 Punkte von Bernhard Weber und Jens-Peter Schliemann

Zoch (Vertrieb: Hutter)

ca. 25 €

– nicht mehr lieferbar –

2 bis 4 SpielerInnen

Schwierigkeitsehr einfach (ab ca. 8 Jahre)

Deutscher
Kinderspiele Preis 2007

Empfehlungliste Spiel des Jahres 2007

Das verrückte Labyrinth gilt inzwischen als Klassiker. So ist es kein Wunder, dass man zunächst an dieses Spiel denkt, wenn man Burg Appenzell sieht. Auch hier kann man auf der einen Seite ein Plättchen in das Spiel hineinschieben, während auf der anderen Seite eines hinausfällt. Dieses steht dann dem nächsten Spieler zur Verfügung.

Der Schiebemechanismus in dieser Neuheit verbirgt etwas Besonderes: es gibt Löcher. Löcher, durch die die Spielfiguren fallen können. Während Das verrückte Labyrinth noch mit einem recht flachen Spielbrett auskam, verwendet Burg Appenzell die gesamte Dreidimensionalität der Schachtel. Und da ist genug Platz, um die verschwundenen Spielfiguren bis zum Schluss im Burgkeller schmoren zu lassen. Die Freude, eine gegnerische Figur versenkt zu haben, ist oft größer, als einen eigentlich siegpunktrelevanten Käse zu finden.

Schieben und Versenken ist nur ein Aspekt im Spielablauf – der vielleicht Spektakulärste, aber nicht der Entscheidende. Ich habe pro Zug vier Aktionspunkte zur Verfügung. Maximal einen davon kann ich fürs Schieben verwenden. Wichtiger ist die Bewegung meiner vier Mäusefiguren. Diese bringe ich über die vier schön gestalteten Türme in den Ecken der Schachtel in das Spiel ein, das unter dem Dach der Burg stattfindet. Denn dort befinden sich begehrten Käsestücke. Zunächst muss ich ein Teil des Daches abdecken, um mir zwei, drei oder vier Felder im Burginneren anzuschauen. Dort gibt es leere Felder, Felder mit Käse und fiese Löcher – die Mausefallen. Anschließend kann ich mich entscheiden, meine Mausfiguren über diese Felder laufen zu lassen. Meine Siegpunktkasse klingelt immer dann, wenn zwei meiner Mäuse zeitgleich auf derselben schweizerischen Käsesorte stehen. Es gibt 21 Käseplättchen und sieben verschiedene Sorten.

Das Dachaufdecken und jeder Zug mit der Maus kostet einen Aktionspunkt, genauso wie die Aktion „schieben“. Das Schieben ist nicht nur sinnvoll, um den Gegner zu ärgern, sondern auch um seiner eigenen Maus den Käse unterzuschieben. Schieben kann kostengünstiger sein als Hinlaufen. Denn das kostet oftmals einen zusätzlichen Aktionspunkt für das Dachaufdecken. Die Dächer werden immer wieder zugemacht, wenn sich am Ende des Zuges im entsprechenden Schlossbereich keine Mausfigur mehr befindet. So erhält das Spiel einen moderaten Memory-Effekt. Wer den Raclettekäse findet, sollte sich daran erinnern, wo sich ein Zweiter befindet.

Die sinnvolle Verwendung der vier Aktionspunkte ist durchaus eine taktische Herausforderung. Deswegen ist Burg Appenzell wahrlich kein Kinderspiel. Kinder mögen den einfachen Ablauf regelkonform bewältigen, sie mögen eine gute Memory-geschulte Erinnerung haben – aber gegen einen ernsthaft spielenden Erwachsenen haben sie keine Chance.

Es gibt Spiele, die unter einer falschen Deklaration leiden. Burg Appenzell schwebt in dieser Gefahr. „Ab 6“ steht auf der Schachtel. Für die meisten Spieler folgt daraus, dass es sich um ein Kinderspiel handelt, das für Erwachsene schlicht zu banal ist. Doch hier ist die Angabe „ab 6“ offensichtlich falsch. Denn Kinder in diesem Alter sind überfordert, die Möglichkeiten dieses Spiels tatsächlich zu durchschauen. „Ab 8“ hätte die korrekte Altersangabe gelautet. Damit würde Burg Appenzell in einer anderen Liga spielen. Auch die Spiel-des-Jahres-Jury hatte dieses Problem bemerkt und das Zoch-Spiel in die Empfehlungsliste der Erwachsenenspiele aufgenommen hat. Dass Burg Appenzell am Vorabend der Spiel ’07 mit dem Deutschen Kinderspiele Preis ausgezeichnet wird, ist eine Folge der Fehlkonstruktion dieses Preises. Denn offensichtlich interpretiert das befragte – in der Regel erwachsene – Fachpublikum die Frage nach dem „besten Kinderspiel“ sehr subjektiv. Deswegen gewinnt hier regelmäßig das Spiel, das aus der Sicht des spielenden Erwachsenen das Beste ist.

Burg Appenzell ist bildschön ausgestattet, auch die Spielanleitung ist brillant gestaltet und wird zu recht mit der Goldenen Feder der Stadt Essen ausgezeichnet. Nachteilig ist nur, dass das das Einpacken des Spiels nicht einfach ist. Denn mangels Alternative müssen die Siegpunktplättchen in die Kellerverließe, wo sie in der Gefahr schweben, zu verkeilen und nicht mehr rauszukommen. Mein Tipp: Immer erst ein Maus in den Keller werfen und anschließend die Plättchen oben drauf legen. Und beim Neuaufbau sollte man erst gar nicht versuchen, die Sache aus den Verließen rauszupulen, sondern die Schachtel auf den Kopf stellen. Trotz dieses Aufwandes: Burg Appenzell ist ein gutes Spiel mit kurzer Spieldauer, das insbesondere mit drei oder vier Spielern Spaß macht.

© Harald Schrapers 2007–14