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Dicke Luft in der Gruft

nett: 4 Punktevon Norbert Proena

Zoch

ca. 30 €

– nicht mehr lieferbar –

bis 6 SpielerInnen

Schwierigkeit sehr einfach (ab ca. 8 Jahre) 

Verpackung +

Nominiert für
das Spiel des Jahres 2004

Deutscher Kinderspiele Preis 2004

Die Spiel des Jahres-Jury hat mit Dicke Luft in der Gruft erstmals ein Spiel für den Hauptpreis nominiert, das mit der Altersangabe „ab 6“ augenscheinlich auf Kinder abzielt. Einstmals wurde mit dem ebenfalls bei Zoch erschienenen Zapp Zerapp ein Spiel für Siebenjährige mit einer Nominierung ausgezeichnet. Dass aber so niedrig gegriffen wurde wie bei Dicke Luft ist noch nie passiert.

Doch man kann Entwarnung geben. Nicht die Jury hat zu tief gegriffen, sondern Zoch. Für Sechsjährige ist das Spiel in der Regel doch zu schwierig, obwohl auf das bekannte Memory-Muster zurückgegriffen wird.

Ob das Thema des Spiels kindgerecht ist, wäre noch eine andere Frage. Vor uns öffnet sich ein Gräberfeld. Im dreidimensional gestalteten Spielbrett sind 60 Vertiefungen eingelassen, die zunächst mit Grabdeckeln verschlossen werden.

Alle Spieler bekommen die gleiche Anzahl an Vampiren, die sie verdeckt in einer Reihe vor sich hinlegen. Nur die außenliegenden Vampirplättchen werden aufgedeckt, denn diese suchen zuerst ein passendes Grab für sich.

Es gibt Vampire in sechs verschiedenen Farben. Dazu passend tragen die Grabdeckel auf ihrer nicht sichtbaren Seite die gleichen Farben. Man deckt einen Grabdeckel auf und guckt, ob die Farbe zu einem seiner Vampire passt. Wenn nein, dann ist der Zug beendet. Wenn ja, dann begrabe ich meinen lichtscheuen Vampir und darf den nächsten Grabdeckel öffnen.

Auf sechs Grabdeckeln ist eine Ratte aufgezeichnet – und spätestens da ist die Spielregel für Sechsjährige nicht mehr ohne Hilfe zu bewältigen. Dann gibt es eine „Rattenplage“ und es dürfen alle umliegenden Grabdeckel aufgedeckt werden – entsprechend schneller kann das Ziel, alle Vampire loszuwerden, erreicht werden.

Streng verboten ist es, ein Grab zu öffnen in dem bereits ein Vampir liegt. Dann gibt es zur Strafe einen Holzpflock, wie man ihn gemeinhin einem Vampir ins Herz rammt. Dicke Luft entwickelt sich schnell völlig anders, als man es von Memory kennt. Während bei dem Klassiker die Erfolgserlebnisse, die richtigen Pärchen zu finden, im Laufe des Spiels immer häufiger werden, ist es hier umgekehrt. Es wird immer enger auf dem Spielplan. Da muss man sich schon verdammt anstrengen, um ein freies Beerdigungsplätzchen zu finden.

Außerdem ist an manchen Stellen Knoblauch versteckt. Jeder Spieler hat drei Knollen, die er in leere Gruften legen darf, um zu verhindern, dass sich der Vampir eines Mitspieler dort hineinlegt. Wenn dieses knoblauchverseuchte Grab doch einmal geöffnet werden sollte, bekommt der Spieler einen zusätzlichen Vampir. Noch heftiger ist die Konsequenz, wenn jemand wegen des ständigen Öffnens bereits besetzter Gräber insgesamt drei Holzpflöcke gesammelt hat. Dann bekommt er von allen seinen Mitspielern je einen Vampir „geschenkt“.

Schadenfreude ist ein wichtiger Bestandteil dieses Spiels. Immer dann, wenn einer zu dusselig war, kann man seine Vampirmenge zu Lasten des anderen reduzieren. Für ein Kinderspiel erscheint mir dieses destruktive Element doch eher ungeeignet zu sein. In mancher Erwachsenen-Spielerunde kann das „Verschenken“ von Vampiren dagegen für viel Freude sorgen. Aber auch da hält sich der Spaß in Grenzen, wenn gegen Spielende alle den Überblick verloren haben. Dann kann es geschehen, dass Dicke Luft zu einem banalen Glücksspiel wird, bei dem es zunehmend unmöglich erscheint, noch ein leeres Grab zu finden. Es gewinnt dann manchmal der Spieler, der das Glück hat, seine letzten Vampire an die Mitspieler abgeben zu dürfen.

Kindern wird nachgesagt, sie seien bei Memory-Spielen den Erwachsenen überlegen. Tatsache ist, dass viele Kinder – aber längst nicht alle – Memory mit einer gewissen Intuition und einer scheinbaren Mühelosigkeit gewinnen können. Wir als Erwachsenen müssen uns dagegen eine Systematik ausdenken, mit der wir uns die Positionen merken können.

Dicke Luft in der Gruft gelingt es auch Kindern kaum, sich mit Intuition und Mühelosigkeit die unbesetzten Gräber und deren Farben zu merken. Sondern Frustration kann sich – unterstützt durch die Vampir-„Geschenke“ – schnell breit machen.

Memory-Fans unter Erwachsenen können dagegen sehr begeistert sein. Aber wer kennt schon erwachsene Memory-Fans? Dieses ständige sich etwas merken müssen ist reichlich anstrengend. Bei Dicke Luft noch viel mehr als bei Memory.

Dicke Luft in der Gruft kann man drei-, viermal „just for fun“ spielen, es ist in größeren Runden sehr unterhaltsam. Außerdem ist ansprechend gestaltet, auch wenn man sich beim Spielen mit Kindern wünscht, dass die Grabdeckel nicht so leicht verrutschen.

Aber ob dieser Spieletitel noch häufiger auf den Tisch kommt? Ich bin da sehr skeptisch. Denn das Spiel kann sich nicht so recht entscheiden, ob man es besser mit Kindern oder besser ohne Kinder spielt, ob es leichte Unterhaltung oder schwere Gedächtniskost ist.

© Harald Schrapers 2004–14