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Dschámal

nett: 4 Punktevon Thomas Liesching

Zoch (Vertrieb: Noris)

ca. 30 €

– nicht mehr lieferbar –

bis 8 SpielerInnen

Schwierigkeitsehr einfach (ab ca. 8 Jahre)

Verpackung ±

2006

Vor einem Jahr erschien bei Zoch das erste Spiel von Thomas Liesching, Niagara. Es gewann, sicherlich auch wegen seines originellen Designs, die Spiel-des-Jahres-Auszeichnung. Jetzt kommt Liesching Nummer 2, Dschamál.

Wer die reichlich große Schachtel öffnet, findet darin nur eine Stoffbeutel, gefüllt mit 60 recht kleinen Bauklötzen. So wirkt Dschamál mit seinen unterschiedlich designten Spielsteinen auf den ersten Blick eher wie ein hübsch anzuschauendes Spielzeug. Dass es sich aber um weit mehr handeln muss, zeigt einer der dramatischsten Warnhinweise, den ich je in einer Spielregel gelesen habe:

„Dschamál ist ein sinnliches Aktionsspiel, das auch mit körperlichem Einsatz gespielt wird. Die Nutzung des Spiels erfolgt grundsätzlich auf eigene Gefahr. Der Zoch Verlag übernimmt keinerlei Haftung für körperliche Schäden, die durch leichtfertigen, unsachgemäßen oder rüden Gebrauch des Spielmaterials entstehen können.“

Keine Angst! Zoch übertreibt mit dieser Aussage doch erheblich. Schließlich soll man sich nicht mit Holzklötzen bewerfen. Sondern es geht darum, dass je zwei Spieler gleichzeitig in den Stoffbeutel greifen und in ihm nach einem Spielstein suchen. Dabei kommt man sich durchaus auch körperlich näher, wobei Dschamál vom Flaschendrehen noch recht weit entfernt bleibt. Und Verletzungen werden vermieden wenn man sich vorher den scharfkantigen Schmuck von den Händen entfernt.

Es gibt im Sack schwarze Steine, die als Unikate wie Störer wirken. Und es gibt die farbigen Klötze, bei denen es jede Form vier Mal gibt. Bei der einfachen Kindervariante (ab 5 Jahre) geht es schlicht darum, ein „Quartett“ von vier formgleichen Spielsteinen zu sammeln. Je zwei unterschiedliche Steine haben die Kinder dabei schon vorab erhalten, damit sie wissen, wonach sie suchen müssen. Der Sack geht dann um den Tisch und immer zwei Kinder greifen gleichzeitig hinein. Sie suchen ein Form, die den beiden Klötzen entspricht, die sie schon haben. Wer es zuerst schafft, gewinnt den zusätzlichen Stein. Wer etwas Falsches gezogen hat – was aufgrund der ähnlichen Formen vorkommt – hat verloren. Dann gewinnt der langsamere der beiden Spieler.

In der Standardregel (ab 8 Jahre) ist der Spielablauf etwas komplexer. Da erhält man vorab einen Stein. Jetzt gibt es bei den Duellen sowohl die Möglichkeit, die eigene Form als auch die Form des Mitspielers zu ziehen. Letzteres ist besonders lukrativ, da man dann nicht nur den gezogenen Stein bekommt, sondern auch einen gegnerischen Klotz.

Wer einen der störenden schwarzen Bauklötze zieht, muss dem Mitspieler einen beliebigen Stein abgeben. Nur das schwarze Kamel (arabisch: Dschamál) kann ein Vorteil bedeuten. Falls der Spieler es rechtzeitig schafft, „ich Kamel“ zu rufen, während sich die auffällig geformte Tierfigur noch in seiner Hand befindet, gewinnt er einen gegnerischen Stein. Der Zeitpunkt des Rufens ist deshalb entscheidend, weil der Klotz möglichst schnell auf dem Tisch landen muss – um schneller als der Gegner zu sein.

Spätestens jetzt wird deutlich: Dschamál ist ein Partyspiel. Immerhin dürfen bis zu acht Leute mitmachen. Dabei trägt man seine Duelle nicht nur gegen die Tischnachbarn aus. Da der Gewinner eines Duells weiter an der Reihe ist, geht er mit dem Sack um den Tisch herum, woraus die unterschiedlichsten Paarungen entstehen.

Anders als bei den Kindern werden keine Quartette gesammelt. Immer wenn alle Steine einer Form aus dem Sack gezogen wurden, gelten sie als sichere Gewinnsteine. Wer sieben davon hat, ist Sieger.

Noch „partymäßiger“ ist eine weitere Regelvariante. Nun wird aus den gezogenen Spielsteinen ein Turm gebaut. Damit die Türme beim heftigen Kampf um die Bauklötze nicht sofort umfallen, wird im stehen gespielt. Jetzt entscheidet das Duell nicht mehr der Zeitpunkt, wann ein Klotz auf dem Tisch landet – sondern wann man ihn auf seinen Kopf gelegt hat. Das kann zusätzlich für Stimmung sorgen.

Leider funktioniert diese Spielvariante aber nicht sonderlich gut. Da man jetzt jeden gezogenen Stein behalten darf, wird das Spiel zu einem Raktionstest, um möglichst schnell irgendeinen Stein auf seinem Kopf zu haben. Zeit für das Ertasten einer Form, die für einen Turmbau geeignet ist, bleibt dabei nicht.

Dschamál ist kein Spiel, das in jeder Brettspielrunde auf Begeisterung stoßen wird. Während die Kinderregel Dschamál-Quartett“ bei der Zielgruppe immer gut ankommt, muss man bei der Standardvariante schon genau gucken, mit wem man spielen möchte – dann kann es aber zu sehr lustigen Partien führen.

© Harald Schrapers 2006–10