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Hab & Gut

schön: 5 Punktevon Carlo A. Rossi

Winning Moves (Redaktion: Jürgen Valentiner-Branth)

ca. 25 € 

– nicht mehr lieferbar –

2 bis 5 SpielerInnen

Schwierigkeiteinfachl (ab ca. 10 Jahre)

2009

Mitten in der Finanzkrise kommt ein Spiel auf den Markt, das so gar nicht ins Umfeld zu passen scheint. Wer interessiert sich noch für ein Börsenspiel, wenn sich die Welt der Börsenmakler, Spekulanten und Hedge-Fonds als eine Art Mischung aus Spielcasino und Kettenbrief entpuppt?

Aber vielleicht stößt Hab & Gut in genau die richtige Lücke. Nicht deshalb, weil der Spekulant in diesem Spiel immer auch einen Teil seiner Aktien für einen wohltätigen Zweck spenden muss. Dass wäre zu bitter ernst. Sondern weil das Spiel einfach und recht locker zu spielen ist und somit die klassischen Börsenmechanismen von Angebot und Nachfrage weitgehend unbeachtet lässt.

Gekauft und verkauft werden Rohstoffe – von Kohle bis Tee. Wer die entsprechenden Spielkarten erwirbt, bezahlt den zuvor feststehenden und auf dem Spielbrett angezeigten Preis – unabhängig davon, ob gerade eine riesige Nachfrage besteht und auch die Mitspieler alle auf Tee setzen. Es kann einem höchstens passieren, dass der Tee-Kartenstapel aufgebraucht ist.

Wenn jeder bis zu drei Karten gekauft hat oder verkauft hat – für eine der beiden Aktionen muss man sich entscheiden – kommt das, was thematisch erstklassig gefällt: Die Kurse werden manipuliert. Nichts Angebot und Nachfrage. Stattdessen passiert etwas, was so rational und durchschaubar ist wie der massenweise „Leerverkauf“ von VW-Aktien, über dessen extreme Kurssprünge Ende letzten Jahres nicht nur Laien staunten.

Jeder Spieler spielt zwei Karten aus, mit denen die Kurse um bis zu sechs Punkte nach oben oder unten verändert werden. Die dafür verantwortlichen Spielkarten stecken in Kartenhaltern, die erstaunlicherweise nicht vor, sondern zwischen den Spielern stehen. Denn ein Kartenhalter gehört zwei Spielern gemeinsam. Ich habe also im Blick, welche Karten meine beiden Nachbarn zur Auswahl haben und sie mir wegnehmen können.  

Pro Runde suche ich mir links eine und rechts eine Karte aus. Wenn beispielsweise auf einer Teekarte „+6“ steht, bedeutet dies: der Kurs dieses Rohstoffs geht nach oben. Ich kann beeinflussen, um welche Summe. Denn pro Runde muss ich einer meiner beiden Kraten im Wert halbieren.

Wenn ich beobachte, dass mein Nachbar viele Teeaktien gekauft hat, sollte ich ihm die entsprechende „+6“ wegschnappen und aus ihr eine „+3“ machen. Und ich sollte darauf achten, dass mein Gegner die Spielkarten meiner favorisierten Rohstoffe nicht genauso abwertet. Da es genauso auch Minuskarten gibt, ist die Volatilität – die Schwankungsbreite – oft recht hoch.

Kaufen und zum richtigen Zeitpunkt wieder verkaufen: dieses klassische Börsenthema steht auch hier im Mittelpunkt. Sonst steht man angesichts des knappen Startkapitals irgendwann ohne Cash da und kann nicht mehr richtig agieren.

Zwei mal vier Runden wird gespielt. In jeder Runde kann ich maximal eine Aktie an den besagten wohltätigen Zweck spenden. Zur Spielhalbzeit gibt es eine Zwischenwertung und die gespendeten Aktien werden zu Geld gemacht. Wer da schlecht abschneidet, hat in der zweiten Spielhälfte die Chance, sich zu bessern. Denn wer am wenigsten spendet, scheidet aus. Sang und klanglos. Die anderen dürfen den Schlusskurs ihrer Aktien und den Bargeldbestand addieren, um den Sieger zu bestimmen. Wer hingegen nicht angemessen spenden wollte, stellt sich auf die Stufe manch eines geldgierigen Bankmanagers, der sein Institut sehenden Auges in die Immobilien- und Kreditkrise hat reinrutschen lassen. Mit so einem unsozialen Pack wollen wir nichts mehr zu tun haben. Weder in der Realität noch im Spiel.

Hab & Gut ist ein schönes Spiel. Es ist recht einfach zu spielen und eher glücksbetont als strategisch. Man braucht dazu keinen langen Spieleabend am Wochenende, sondern man kann es auch an einem normalen Arbeitstag noch bewältigen.

Für den einen ist die Börse eine absolut passende und typische Grundlage für ein gutes Spiel – heute mehr denn je. Andere können nicht verstehen, was daran spannend sein soll. Sie schalten regelmäßig um, wenn die Dax-Stände in den Nachrichten gemeldet werden. Wegen dieses oft als trocken verstandenen Themas wird es Hab & Gut nicht so einfach haben. Was schade ist: denn einfache und stimmige Spiele mit derart überraschend viel Spieltiefe gibt es nicht so häufig.

© Harald Schrapers · games we play 2009