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Challengers!

Kennerspiel des Jahres von Johannes Krenner und Markus Slawitscheck

1 More Time Games / Z-Man Games (Redaktion: Roman Rybiczka, Julian Steindorfer, Martin Bouchard, Sophie Gravel, Vertrieb: Asmodee)

Illustration: Jeff Harvey

ca. 40 €

2 bis 8 SpielerInnen (besser: 4 und 6 bis 8)

5 von 6games we play Tip: Das TOPspielSchwierigkeiteinfach (ab ca. 10 Jahre)

Kennerspiel des Jahres 2023

7. Platz Deutscher Spiele Preis 2023

Vier Spielmatten werden auf dem Tisch ausgerollt und die acht Mitspielenden setzen sich an die kurzen Seiten der Matten. Hier starten nun vier Duelle: Die sich gegenüber Sitzenden spielen „Capture the Flag“ mit Karten. Man deckt dabei vom eigenen gut gemischten Stapel nacheinander Karten – die Mannschaft – auf, mit deren Wert die zuletzt gelegte Karte der Gegnerin übertroffen werden muss. So wechselt der Spielstein mit der Fahne ein paarmal hin und her – bis einer Seite die Puste ausgeht.

Das eigentlich Entscheidende geschieht zwischen den sieben zu spielenden Partien. Man muss seinen Kartenstapel verbessern. Dazu zieht man – je nach Spielfortschritt vom A-, B- oder dem besonders starken C-Stapel – und darf die Karten aussuchen, die gut zur eigenen Taktik passen. Wobei es nicht darauf ankommt, einfach nur viele und im Wert starke Karten zu haben. Dann wäre der Kampf um die Fahne zu trivial. Sondern eine „Ersatzbank“ sorgt dafür, dass man sich auf eine passgenaue Auswahl beschränken sollte. Denn jedes Mal, wenn in einer Partie meine Karte geschlagen wird, muss ich sie auf die Ersatzbank setzen, auf der aber nur sechs Plätze sind. Identische Karten teilen sich je einen Ersatzbankplatz, und können die Niederlage herauszögern. Doch wenn ich einen siebten Platz benötige, habe ich die Partie verloren. Egal wie viele und gute Karten ich noch aufdecken könnte. Folglich suche ich mir bei den Karten gerne Pärchen oder gar Drillinge aus und vergesse auch nicht, durch das Abwerfen von Karten meinen Stapel gezielt zu verschlanken.

Warum ist Challengers ein geniales Spiel? Weil man es in einem Turniermodus spielt, der aus sieben Partien besteht. Wenn man zu acht am Tisch sitzt heißt das, dass sich alle je einmal duellieren. Als Mitspielende haben wir eine Turnierablaufplan-Karte bekommen, die uns sagt, wo wir uns jeweils hinsetzen müssen. Das sorgt für eine tolle und oft ausgelassene Stimmung, die fast an ein Partyspiel erinnert. Das gelingt, obwohl hier auf jegliche Rate-, Pantomime- und ähnlich kreative Momente verzichtet wird.

Allerdings sollten bei dieser Turnier-Party sämtliche Feiernden bereits spielerische Vorkenntnisse haben. Zwar ist das Regelgerüst von Challengers im Kern ziemlich einfach. (Nur die Regularien, wie man zwischen den Partien neue Karten nachzieht, sind so kompliziert geschrieben, dass ich sie erst nach dreimaligem Lesen und längerem Nachdenken verstanden habe. Ein einfaches „ziehe fünf Karten, lege null bis fünf wieder ab und ziehe dieselbe Kartenanzahl nach“ würde dem Spiel gut tun.)

Die größte Hürde, ins Spiel hineinzukommen, entsteht während des Turniers: Viele Spielkarten haben spannende Sonderfunktionen, die eine Veränderung der Grundregeln nach sich ziehen und deshalb interpretiert werden müssen, was ohne spielerische Routine kaum gelingt. Und selbst mit Vorerfahrung ist das oft nicht leicht. Die Regelfragen, die in den Anfängerrunden gestellt werden, sind sehr viele, und sie lassen sich oft nicht leicht beantworten, weil man ja in mehreren parallelen Duellen beschäftigt ist. In einer großen gemeinsamen Runde würde man Regelfragen immer direkt für alle klären können, was hier aber systembedingt nicht klappt, was für einen holprigen Einstieg sorgt.

Challengers macht sich eh keine große Mühe, das breite Publikum zu erreichen. Wer nicht weiß, dass ein Kartenstapel auf Neudeutsch „Deck“ heißt, rätselt schon beim oberflächlichen Blick in die Spielanleitung. Und wenn Asmodee das Spiel als „Auto-Battler- und Deck-Management-Spiel“ anpreist, nimmt man bewusst eine eingeschränkte Zielgruppe in Kauf. Expertenspielerinnen und -spieler seien allerdings gewarnt: Strategischen Tiefgang bietet das Spiel überhaupt nicht, sondern hier wird viel Spektakel um einen recht glücksbetonten Kern gemacht. Reduziert auf das pure Duell – grundsätzlich könnte man Challengers auch zu zweit spielen – kann man die besonderen Qualitäten dieses Spiels noch nicht einmal erahnen. Dazu muss man mindestens zu vier am Tisch sitzen. Brilliant wird das Spiel dann, wenn sechs, sieben – dann spielt ein „Bot“ mit – oder acht Leute dabei sind.

Je größter die Gruppe, desto mehr Stadion-Stimmung kommt auf. Die Idee, dass wir als Coach eines von uns aufgestellten Teams – unser Kartenstapel – agieren, geht voll auf. Hier wird gejubelt, gestöhnt und gerufen, auch wenn wir merken, dass sich das Duell von der Seitenlinie nicht beeinflussen lässt. Als Trainerin oder Trainer sind wir in den Pausen gefordert, wenn wir die hoffentlich richtigen Verstärkungen einwechseln. Challengers sorgt für spielerische Events, an die man noch lange zurückdenkt.

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